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Tunesien - Eine Begegnung mit unterschiedlichen Kulturen an der Wiege des lateinischen Christentums

Weihbischof Boom in Salakta
Datum:
Veröffentlicht: 4.12.19
Von:
Dr. Norbert Jung
„Die Titularbistümer verweisen auf die blühenden christlichen Gemeinden im frühen Christentum. Sie haben das Bild und die Theologie der frühen Kirche geprägt. Diesen Spuren möchte ich nachgehen“, so hatte es Weihbischof Boom, dessen Titelbistum in Tunesien liegt, im Vorfeld einer Reise des Bayerischen Pilgerbüros dorthin formuliert, die kürzlich in Zusammenarbeit der beiden Pilgerstellen Würzburg und Bamberg durchgeführt wurde.

„Die Titularbistümer verweisen auf die blühenden christlichen Gemeinden im frühen Christentum. Sie haben das Bild und die Theologie der frühen Kirche geprägt. Diesen Spuren möchte ich nachgehen“, so hatte es Weihbischof Boom, dessen Titelbistum in Tunesien liegt, im Vorfeld einer Reise des Bayerischen Pilgerbüros dorthin formuliert, die kürzlich in Zusammenarbeit der beiden Pilgerstellen Würzburg und Bamberg durchgeführt wurde. Eine Spurensuche, die auf hervorragende Weise gelang, nicht nur weil Reiseleiter Mouldi Hammami sprachlich und fachlich nichts zu wünschen übrig ließ, sondern auch weil der Bamberger Professor für Kirchengeschichte, Peter Bruns, durch spontane Vorträge während der Fahrt den Teilnehmern Zugänge zu einer Welt erschloss, die zwar seit dem Auftreten des Islam weitgehend untergegangen ist, aber die Wurzeln der katholischen Kirche stärker geprägt hat, als es den meisten Christen heute noch bewusst ist.

Der Brauch, Weihbischöfen ein untergegangenes Bistum in ehemals katholischen Gebieten zuzuweisen, führt dazu, dass einige deutsche Bischöfe nominell ihren Sitz in Tunesien haben – ein bei den Touristen, die heute dorthin zum Baden fahren, weitgehend unbekannter Hinweis auf die Bedeutung der Region in der Kirchengeschichte des dritten und vierten Jahrhunderts. Einen ersten Höhepunkt bildete deshalb der Besuch in Thugga, einer römischen Ruinenstadt mit Welterbestatus, ehemals Titularsitz des verstorbenen Bamberger Weihbischofs Werner Radspieler. In Kairouan, einer der vier heiligen Stätten des Islam und ebenfalls Weltkulturerbe, konnte die Gruppe in die islamische Kultur eintauchen: Von der Besichtigung der ein-drucksvollen Moscheen über den Bummel durch den Souk (Basar) bis zum Besuch beim Teppichhändler war alles dabei.

Vor allem für Weihbischof Ulrich war der Besuch im reizvoll am Meer gelegenen Salakta sehr bewegend, handelt es sich dabei doch um sein Titularbistum Sullectum. Dort wurden nicht nur die Katakomben aus der Römerzeit besucht, sondern auch spontan ein Gottesdienst auf der Terrasse des Cafés „Sullectum“ direkt am Strand gefeiert. Dass dies möglich war, zeigt auch die Toleranz, die Tunesien im Vergleich zu anderen islamischen Ländern auszeichnet: Man stelle sich vor, irgendwo am Mainufer hielte ein Bus mit Muslimen, die im Biergarten des örtlichen Wirtshauses ihre Gebetsteppiche ausbreiteten...! Kein Problem in Tunesien, wo die ori-entalische Gastfreundschaft mit einer eher weltoffenen Spielart des Islam verbunden ist, so dass auch alle Spielarten weiblicher Verschleierung eher die Ausnahme als die Regel sind. Nicht von ungefähr nahm der „arabische Frühling“ dort seinen Ausgang; der entsprechende Friedensnobelpreis ist in einer Vitrine im Eingangsbereich des Nationalmuseums ausgestellt.

Während zu Hause schon die Wintersachen bereitgelegt wurden, konnte die Gruppe die An-nehmlichkeiten eines Strandhotels genießen: Einige nutzten die Möglichkeit zum Schwimmen, andere genossen den Ausblick auf die Wellen. Allen gefiel jedenfalls der Ausflug zum Cap Bon, wo nicht nur in den Ausgrabungen von Kerkouane die punische Kultur erkundet wurde, sondern auch in einem Restaurant am Strand regionale Fischspezialitäten probiert werden konnten. Immer wieder beeindruckten die Überbleibsel aus der Zeit der Römerherrschaft – z. B. in der Veteranensiedlung Uthica, wo die Gruppe sogar Zugang zur normalerweise gesperrten „Unterwelt“ des Amphitheaters erhielt. Von der Hauptstadt Tunis blieben wohl die vielen Mosaike des Bardo-Museums am meisten in Erinnerung, die von der einstigen Pracht des Le-bensstils der römischen Oberschicht zeugen. Durch die fachkundigen Erklärungen des Reiseleiters, ergänzt durch ikonografische Erläuterungen von Prof. Bruns v. a. in der frühchristlichen Abteilung wurde der Aufenthalt zu einem Schlüsselerlebnis der Reise.

In Karthago, der ehemaligen Hauptstadt des punischen Reiches, wurden die Ruinen zwar in islamischer Zeit weitgehend abgetragen, um das nahe gelegene Tunis zu errichten, trotzdem konnten dort der Ort des Martyriums der Heiligen Perpetua und Felizitas sowie die Reste ei-ner beeindruckenden frühchristlichen Basilika besichtigt werden. Die das Stadtbild beherrschende ehemalige katholische Kathedrale St. Louis wurde wie die meisten anderen kirchlichen Immobilien nach der Unabhängigkeit des Landes verstaatlicht und dient heute als Ver-anstaltungshalle bzw. Museum. Nach dem Ende der Kolonialzeit verblieben der katholischen Kirche des Landes nur noch sieben Kirchen, so dass sich den Besuchern eine „arme Kirche für Menschen am Rand“ präsentierte – vielleicht nicht unbedingt ein Vorbild für die Zukunft der deutschen Kirche, aber in jedem Fall ein glaubwürdiges Modell der Nachfolge Christi.

Sowohl in der Kathedrale von Tunis als auch beim Besuch in der deutschsprachigen Gemeinde, wo Weihbischof Ulrich die Sonntagsmesse hielt und die Gelegenheit zum Gespräch mit den Verantwortlichen bestand, konnten sich die Besucher von der Lebendigkeit einer jungen Kirche überzeugen, die überwiegend von Studenten und Flüchtlingen aus Schwarzafrika gebildet wird, die ihre Lebensfreude, aber auch die mit ihrer Situation zusammenhängenden wirtschaftlichen Probleme mit in die Gemeinden einbringen. Zum Abschluss bummelte die Gruppe durch das reizvoll am Meer gelegene Künstlerdorf Sidi Bou Said, das vor allem durch den Aufenthalt von Paul Klee und August Macke Bekanntheit erlangte, wurde dadurch doch eine neue Entwicklungsstufe der europäischen Kunstgeschichte eingeläutet, wie Weihbischof Ulrich im Vorfeld fachkundig erläuterte. Leider verletzte sich der Weihbischof ausgerechnet dort beim Ausstieg aus dem Reisebus, so dass er die Eindrücke Mackes und Klees leider nicht selber nachvollziehen konnte. Ein Grund mehr, wieder einmal nach Tunesien zurück zu kommen – ein „exzellentes“ Reiseziel, nicht nur wenn ein Bischof dabei ist!