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Sternwallfahrt ins Heilige Land

Himmelfahrt
Datum:
Veröffentlicht: 29.10.12
Von:
Harry Luck

Weihnachten, Ostern und Himmelfahrt in einer Woche

Wenn erwachsene Menschen mitten im Oktober bei hochsommerlichen Temperaturen ein Weihnachtslied singen, kurz darauf Karfreitag, Ostern und Himmelfahrt feiern, dann kann es sich nur um Pilger im Heiligen Land handeln. Nach einer Woche sind die bayerischen Sternwallfahrer in ihre Heimat zurückgekehrt.
Kreuzweg

Wenn erwachsene Menschen mitten im Oktober bei hochsommerlichen Temperaturen ein Weihnachtslied singen, kurz darauf Karfreitag, Ostern und Himmelfahrt feiern, dann kann es sich nur um Pilger im Heiligen Land handeln. Nach einer Woche sind die bayerischen Sternwallfahrer in ihre Heimat zurückgekehrt.

Von der einsamen und heißen Wüste rund um den See Genezareth ging es weiter ins turbulente Jerusalem – wo sich die Gruppe für die zweite Etappe einquartierte und sich auf den Weg nach Bethlehem machte. Dort, vor den Toren Jerusalems, wird wie an kaum einem anderen Ort deutlich, wie nah im Heiligen Land verschiedene Kulturen und Religionen auf engstem Raum beisammen sind. Wer nach Bethlehem fährt, passiert bei der Einfahrt in das von Palästinensern kontrollierte Gebiet eine schwer bewachte Grenze, die mit ihren Zäunen und Wachtürmen an die dunklen Zeiten der Berliner Mauer erinnert. Während die bayerischen Pilger bei ihrer ersten gemeinsamen Messe während dieser Sternwallfahrt in der Geburtskirche „Maria breit den Mantel aus“ anstimmten, ertönte von draußen der Ruf des Muezzins. Auch auf dem Tempelberg, am Felsendom (mit seiner vergoldeten Kuppel das Wahrzeichen der Stadt) und an der Klagemauer konnten die 280 Pilger der bayerischen Sternwallfahrt zuvor eindrucksvoll erleben, dass Jerusalem für die drei Weltreligionen das Zentrum ihres Glaubens darstellt.

Das Wort „Bethlehem“ heißt, je nach Deutung, „Haus des Brotes“ oder „Haus des Fleisches“. Nach biblischer Überlieferung ist Bethlehem zudem die Stadt, aus der die Könige stammen. Dass Jesus hier zur Welt kam, ist nach Worten von Erzbischof Schick ein Zeichen der Vorsehung Gottes. Und dass der Engel als erstes den Hirten auf dem Feld erschien, habe auch eine tiefere Bedeutung: Die Hirten seien damals eine verachtete Volksgruppe gewesen. Jesus habe gewollt, dass die „Outlaws“ zuerst die frohe Botschaft erfuhren. „In Bethlehem denken wir an die Kinder in der ganzen Welt, die hungern müssen oder nicht zur Schule gehen können“, so der Erzbischof. „Jesus ist Kind geworden, damit es allen Kindern gut geht.“

Nach dem weihnachtlichen Tag folgten die Kar- und Ostertage in komprimierter Form: Der Kreuzweg führte über die Via Dolorosa, auf der es heute nicht nur besinnlich zugeht. Die schmalen Gassen, die viel enger sind als vor 2000 Jahren, sind von Bazaren und Falafel-Buden gesäumt, jugendlich wirkende Soldaten mit schweren Waffen sollen ein Bild der Sicherheit bieten. Der Kreuzweg endete auf dem Berg Golgatha, an dem man nur noch ahnen kann, wie hier die Kreuzigungsstelle einmal ausgesehen hat. In der Grabeskirche, in der sich sechs Konfessionen das Hausrecht teilen, befindet sich an der Stelle, wo das Kreuz gestanden haben soll, ein Loch, wo der Felsen ertastet werden kann. Um das von einer Kapelle überbaute Heilige Grab zu betreten, wo die Griechisch-Orthodoxen für strenge Ordnung sorgen, muss man in Kauf nehmen, zwei Stunden in einer scheinbar endlosen Schlange zu warten, um am Ende mit energischen „Move!“- und „Quick“-Rufen der Mönche für einen kurzen Augenblick in das Felsengrab eingelassen zu werden und den Stein zu berühren, der das Grab verschlossen haben soll. Besinnlichkeit kann sich erst einstellen, wenn man anschließend in der Eingangshalle der Kirche den Salbungsstein berührt, auf dem der Leichnam Jesu gelegen haben soll. Erzbischof Schick erinnerte daran, dass wir auch im Bamberger Dom eine Kreuzreliquie sowie einen Nagel des Kreuzes verehren.

Die Reise durch das Kirchenjahr im Eiltempo führte danach auf den Ölberg in das Himmelfahrtsheiligtum, wo auf dem Boden im Fels – wenn auch mit sehr viel Phantasie! - ein Fußabdruck zu erkennen ist, den Christus bei der Himmelfahrt hinterlassen haben soll. Die Vaterunserkirche im Garten Gethsemani steht dort, wo Jesus den Jüngern das Beten gelehrt hat. An zahllosen Tafeln ist der Text des Vaterunsers in verschiedenen Sprachen nachzulesen, sogar auf Plattdeutsch.

Am Samstag erfuhren die Sternwallfahrer am eigenen Leib, was der Sabbath für den Alltag (nicht nur) der Juden in Israel bedeutet: Die Straßen waren wie leer gefegt, die Geschäfte geschlossen, die Menschen blieben zu Hause. In der Innenstadt markierte eine Linie die Grenze, bis zu der man am Sabbath gehen darf. Und weil an diesem heiligen Tag nicht gearbeitet wird, gab es im Hotel nichts Frisches zum Frühstück, sondern Apfeltaschen und Schokocroissants. Der Fahrstuhl verfügte über einen Sabbath-Modus: Das bedeutet, dass der Lift automatisch in jeder der elf Etagen hält, ohne dass jemand einen Knopf drücken muss. Denn einen elektrischen Schalter zu betätigen, so haben es die obersten Rabbiner festgelegt, ist wie Feuer machen – und das ist Arbeit und am Sabbath verboten.

Beeindruckend auch im Zentrum von Jerusalem: der größte jüdische Friedhof der Welt. Juden (und Muslime) glauben, dass das Jüngste Gericht hier in Jerusalem beginnen wird. Ein Grabplatz in der ersten Reihe ist für sie 30.000 Dollar wert. Wenn man bedenkt, dass das Grab ohne zeitliche Begrenzung auf ewig gekauft wird, relativiert sich der hohe Preis.

Zum Abschluss der Wallfahrt begrüßte der Jerusalemer Weihbischof William Hanna Shomali die bayerischen Gäste in der St. Anna-Kirche und rief sie auf, für den Frieden in Jerusalem zu beten. „Wenn Gott nicht antwortet auf unser Gebet, heißt das, dass wir noch mehr beten müssen.“ Je länger Gott seine Antwort hinauszögere, desto größer sei die Überraschung, wenn er das Gebet dann doch erhöre. Das hätten die Deutschen auch erfahren, als die Mauer fiel und die Teilung des Landes überwunden wurde. „Beten wir, dass eines Tages alle Mauern fallen werden!“ Erzbischof Schick versicherte im Gegenzug den Christen in Jerusalem jede mögliche Unterstützung. „Denn wenn es hier keine Christen mehr gäbe, könnten wir nicht mehr kommen.“ Jede Wallfahrt ins Heilige Land sei auch eine Unterstützung für die Christen dort.

In seiner Abschlusspredigt griff Bischof Schick den Gedanken von seiner ersten Predigt am See Genezareth wieder auf. „Jesus will keine Hungernden, und Jesus will keine Blinden.“ Fast so häufig wie Jesus ein Brotwunder gewirkt habe, so häufig habe er Blinde geheilt. Auch diese Sternwallfahrt habe die Teilnehmer von so mancher Blindheit befreit und sehender gemacht, ihre Horizonte erweitert. „Wenn wir von unseren blinden Flecken befreit werden, gehen wir mit offenen Augen durch das Leben und sehen das Fremde als Reichtum und nicht als Bedrohung.“

Am Sonntag endete die achttägige Wallfahrt mit dem Rückflug nach München, wo bereits der erste Schnee gemeldet wurde. Die Stimmung in der Heimat war zu diesem Zeitpunkt offenbar weihnachtlicher als im Heiligen Land mit seinen immer noch hochsommerlichen Temperaturen. Mancher erinnerte sich auf dem Rückflug an ein kleines Schild an der Tür der Geburtskirche von Bethlehem: „Das hoffen wir: Wenn du als Tourist eintrittst, kommst du als Pilger wieder heraus. Wenn du als Pilger eintrittst, wirst du ein bisschen heiliger.“ Die 280 bayerischen Pilger jedenfalls werden sicherlich nicht nur am bevorstehenden Weihnachtsfest an diese Reise ins Heilige Land zurückdenken.

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